niederländische Philosophie.

niederländische Philosophie.
niederländische Philosophie.
 
Eine eigenständige niederländische Philosophie bildete sich erstmals mit der an der arabischen Aristoteles-Rezeption orientierten Vermittlung der griechischen Philosophie im 13. Jahrhundert (Heinrich von Gent, Siger von Brabant); Wilhelm von Moerbeke übersetzte die für die Scholastik bestimmenden griechischen Texte. Das 14. Jahrhundert war durch ein mystisch-theologisches Denken und das Wirken des Buß- und Reformpredigers G. Groote (Devotio moderna) bestimmt. Dionysius der Kartäuser (»Doctor ecstaticus«) verarbeitete im 15. Jahrhundert noch einmal das scholastische Wissen. W. Gansfort und R. Agricola bereiteten den Boden für Erasmus von Rotterdam, der die 1425 gegründete Universität Löwen zum Zentrum des Humanismus werden ließ.
 
Zunächst Hochburg des Aristotelismus, wandelte sich die 1580 gegründete Universität Leiden zum Stützpunkt eines niederländischen Cartesianismus (Henricus Regius, * 1598, ✝ 1679; B. Bekker) und wurde wie die gesamten Niederlande im 17. Jahrhundert zur Zufluchtsstätte unabhängiger Geister (R. Descartes, Angelus Silesius, P. Bayle, B. de Spinoza). Humanismus und Naturrechtslehre verband H. Grotius; A. Geulincx erneuerte die Metaphysik (Okkasionalismus). Bernhard Nieuwentijt (* 1654, ✝ 1718) und W. 's Gravesande entwickelten eine Experimentalphilosophie newtonscher Prägung.
 
Im 18. Jahrhundert bekämpfte F. Hemsterhuis als Vertreter eines ästhetisch-mystischen Pantheismus den Rationalismus und gilt damit als Vorläufer der Romantik; mit Philip Willem van Heusde (* 1778, ✝ 1839) übte er Einfluss auf die kalvinistische Theologie aus.
 
Das 19. Jahrhundert spiegelte die philosophischen Entwicklungen in Deutschland, Frankreich und England wider: Kantianismus (Paulus van Hemert, * 1756, ✝ 1825; Johannes Kinker, * 1764, ✝ 1845), Commonsense-Philosophie (van Heusde) und Empirismus-Materialismus (J. Moleschott; Cornelis Willem Opzoomer, * 1821, ✝ 1892). Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte eine Rückwendung zum Spinozismus (Johannes van Vloten, * 1818, ✝ 1883; Johannes Diderik Bierens de Haan, * 1866, ✝ 1943). Parallel entwickelten sich Neukritizismus (Jan Pieter Nicolaas Land, * 1834, ✝ 1897), Neuhegelianismus (G. Bolland) und Neuthomismus (Louis de Raeymaeker, * 1895, ✝ 1970; Josephus Theodorus Beysens, * 1864, ✝ 1945). Neben dem Marburger Neukantianismus (B. J. Ovink) und psychischen Monismus (Gerard Heymans, * 1857, ✝ 1930), der Existenzphilosophie (R. F. Beerling) und einem kalvinistisch geprägten Personalismus (Philip Abraham Kohnstamm, * 1857, ✝ 1951) gewann im 20. Jahrhundert die Phänomenologie Bedeutung (G. van der Leeuw, F. J. Buytendijk, Edgar de Bruyne, * 1898, ✝ 1959; Herman Leo van Breda, * 1911, ✝ 1974, Gründer des Husserl-Archivs in Löwen). Prägend für die niederländische Philosophie wurden zudem formale Logik (Evert Willem Beth, * 1908, ✝ 1964; L. E. J. Brouwer, A. Heyting) und analytische Philosophie.
 
 
J. J. Poortman: Repertorium der Nederlandse wijsbegeerte, 3 Bde. (Amsterdam 1948-68);
 F. Sassen: Geschiedenis van de wijsbegeerte in Nederland. .. (ebd. 1959);
 F. Sassen: Wijsgerig leven in Nederlanden in de 20ste eeuw (ebd. 31960);
 C. E. M. Struyker Boudier u. a.: Fenomenologie in Nederland en België (Nimwegen 1980).
 
Zeitschrift: Algemeen Nederlands Tijdschrift voor Wijsbegeerte (Assen 1907 ff.).

Universal-Lexikon. 2012.

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